ⓒ n-tv NACHRICHTEN
Dschihadistische Kämpfer haben nach Angaben von Aktivisten die Hälfte der syrischen Stadt Aleppo eingenommen. Die syrischen Regierungstruppen zogen sich offenbar kampflos zurück; Augenzeugen berichten von Panik in der Bevölkerung. Die Offensive der Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und verbündeter Gruppen, die am Mittwoch begann, stellt die heftigsten Kämpfe seit 2020 dar. Die HTS, ein syrischer Ableger von Al-Kaida, drang am Freitag in Aleppo ein und kontrolliert nun, laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, die Hälfte der Stadt. Rahman berichtet von einem überraschend geringen Widerstand der Regierungstruppen; in einigen Stadtteilen kam es jedoch zu Gefechten.
Die Einnahme Aleppos erfolgte nach zwei Selbstmordattentaten mit Autobomben. Die syrische Regierung behauptet zwar, die Offensive abzuwehren und Gelände zurückerobert zu haben, doch unabhängige Berichte deuten auf ein anderes Bild hin. Aus Aleppo selbst werden Berichte über Kämpfer auf den Straßen und weitverbreitete Panik unter der Zivilbevölkerung gemeldet. Ein 51-jähriger Einwohner beschreibt die Situation als beängstigend, mit ständigem Beschuss durch Raketen, Artillerie und Flugzeuge und der Angst vor einer Wiederholung des Kriegsszenarios.
Russland, ein Verbündeter der syrischen Regierung, unterstützt diese mit Luftangriffen. Moskau meldet die Tötung von 200 Kämpfern in den letzten 24 Stunden. Zusätzlich wurden 23 Luftangriffe auf die Rebellenhochburg Idlib verzeichnet. Die Syrische Beobachtungsstelle berichtet von über 50 Dörfern und Städten, die in den letzten Tagen von Dschihadisten eingenommen wurden, darunter die strategisch wichtige Stadt Sarakib. Die Gesamtzahl der Todesopfer seit Mittwoch wird auf mindestens 277 geschätzt, darunter sowohl Kämpfer als auch Zivilisten, die hauptsächlich durch russische Luftangriffe ums Leben kamen.
Der syrische Bürgerkrieg, der 2011 begann, hat bereits eine halbe Million Menschenleben gefordert und Millionen vertrieben. Obwohl ein Waffenstillstand im Norden Syriens seit 2020 in Kraft ist, wird dieser regelmäßig gebrochen. Die aktuelle Entwicklung in Aleppo stellt eine ernste Eskalation der Gewalt dar und wirft die Frage nach der Zukunft der Region auf.